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Hoffmanns Bundrechner

Einführung

Kann man die mitteltönige und die pythagoreische Temperaturen auf Bundinstrumenten (Gamben, Lauten, Theorben usw.) sauber wiedergeben?

Dieser Bundrechner ist die Antwort. Er zeigt, wo die Bünde gesetzt werden müssen. Und er zeigt ausserdem, wo Hilfsbünde oder doppelte Bünde unerlässlich sind.

Warum Hilfsbünde?

Einige Bünden bestimmen auf verschiedenen Saiten zwei Arten von Intervallen, ein grösseres und ein kleineres.
Beispiel: Auf dem ersten Bund liegt auf einer C-Saite oder einer F-Saite ein chromatischer Halbton (C-Cis, F-Fis), auf einer A-Saite oder einer E-Saite aber ein diatonischer Halbton (A-B, E-F). Anders gesagt: Wir haben auf diesem Bund sowohl Kreuz-Töne als auch Be-Töne. Sowohl Mi als auch Fa würde ein Musiktheoretiker der Renaissance sagen.
In der mitteltönigen und der pythagoreischen Temperatur gibt es aber deutliche Unterschiede zwischen chromatischem und diatonischem Halbton; und je nach Temperatur und nach Saitenlänge kann dieser Unterschied so gross sein, dass er auf ein und demselben Bund nicht zu bewältigen ist. Auf einem Instrument mit 70 cm Saitenlänge ist der Abstand in der mitteltönigen Temperatur mehr als 1,5 cm. Da hilft kein Fingerverschieben mehr, wir brauchen einen Hilfsbund.

Wie bringe ich einen Hilfsbund an?

Lösung 1: Ich binde einen zweiten Bund im nötigen Abstand. Eventuell könnte der tiefere Bund etwas dicker sein (wie immer). Saubere und endgültige Lösung, aber etwas umständlich.
Lösung 2: Ich klebe kleine Stückchen Bund auf das Griffbrett, nur unter die Saiten, die es nötig haben.
Lösung 3: für Gambisten: Ich 'öffne' einen Bund, also ich ziehe die beiden Schlingen eines doppelten Bundes auseinander. Keine saubere Lösung, aber sehr praktisch.

Welche Bünde brauchen Hilfsbünde?

Das hängt von der Stimmung des Instrumentes und von der Tonart ab, in der wir spielen: Brauchen wir ein Gis oder ein As? ein Dis oder ein Es? oder gar ein Ais? Ausserdem hängt es von den technischen Anforderungen ab. Auf einer Gambe braucht man zum Beispiel in normaler Renaissancemusik den sechsten Bund auf den tiefen Saiten nicht; da kann uns das Cis auf der fünften Saite wenig stören.

Was tun also?

Schritt 1: Berechne mit dem Bundrechner genau, wo deine Bünde in der gewünschten Temperatur theoretisch stehen müssten, für alle denkbaren Intervalle. Der Bundrechner für Anfänger rechnet nur die üblicheren Saiten und die wichtigsten Intervalle aus. Auf dem Bundrechner für Fortgeschrittene findest du alle möglichen Saiten und Intervalle.
Schritt 2: Überlege, welche Töne wirklich nötig sind und in der Musik vorkommen, die du spielen willst.
Schritt 3: Verschiebe die Bünde in die angegebenen Stellungen und füge Hilfsbünde hinzu, wo es nötig ist.

Beispiel

Bassgambe in D, mitteltönige Viertelkomma-Temperatur, Tonarten d-Moll und a-Moll

Warum teilt sich der Bundrechner Hoffmann in zwei verschiedene Seiten, eines für die mitteltönige und pythagoreische Stimmungen und und eines für Werckmeister und Vallotti?

Mitteltönige und pythagoreische Temperaturen und ihre Varianten sind gleichmässige Temperaturen; alle diatonischen Halbtöne sind untereinander mathematisch gleich, und ebenso alle chromatischen. Das bedeutet für Gambisten und Lautenisten, dass man mit klug gesetzten Hilfsbünden wirklich makellos sauber spielen kann.
Natürlich ist auch die gleichschwebende eine regelmässige Temperatur, in der unterschiedslos alle Halbtöne mathematisch gleich sind. Für jeden Bund gibt es also nur eine Stellung.
Im Gegensatz dazu sind die moderneren Stimmungen des XVIII Jahrhunderts unregelmässig (Werckmeister, Vallotti, Kirnberger usw.). Jedes Intervall könnte ein bisschen anders aussehen, je nach seiner Stellung im Quintenzirkel. Theoretisch bräuchte man also nicht einen, sondern sogar mehrere Hilfsbünde. Praktisch sind die Unterschiede aber oft so gering, dass ein bisschen pfuschen mit dem Finger, ein bisschen mehr oder weniger drücken, ein bisschen verschieben nach Gehör schon ausreicht. Der Bundrechner Werckmeister, Vallotti gibt davon einen Eindruck.

Kurz zur Geschichte

Viele Theoretiker der Renaissance und Barockzeit haben sich an der Temperatur auf Bundinstrumenten den Kopf zerbrochen: Martin Agricola, Silvestro Ganassi, Nicola Vicentino, Juan Bermudo, Gioseffo Zarlino, Francisco Salinas, Ettore Bottrigari, Vincenzo Galilei, Giovanni Maria Artusi, Marin Mersenne, Thomas Mace, Thomas Salmon, Danoville, usw. usw., aber keiner ist zu einem endgültig befriedigenden Ergebnis gekommen. Mancher schreibt kurz entschlossen die gleichschwebende Temperatur vor (Salinas, Bottrigari, Galilei). Für viele bedeutet das aber, dass Lauten und Gamben nie und nimmermehr mit Orgeln und Cembali zusammenspielen dürfen: Der Missklang wäre eine Beleidigung für das Ohr (Artusi). Andere erklären lang und umständlich, wie man die Bünde nach den rechten Stimmungen, d. h. nach der mitteltönigen oder nach der pythagoreischen Stimmung, zu setzen hat (Agricola, Ganassi, Mersenne); dabei merken sie nicht, dass diese Bundsetzungen immer nur auf einigen Saiten gültig sind, nie auf allen sechs Saiten (oder sie tun aus Verlegenheit so, als würden sie es nicht merken). Andere Theoretiker bauen auf die Praxis des Musikers, der schon irgendwie den Finger zurechtschieben wird (Ganassi, Mace). Alles Pfusch, meint dazu Bermudo, und er hat Recht, den der Abstand zwischen chromatischem und diatonischem Halbton ist auf ein und demselben Bund nicht zu bewältigen. Manche schlagen schließlich Hilfsbünde vor (Bermudo, Salmon), andere sind aber gar nicht einverstanden und verteidigen mit scharfen Worten die gleichschwebende Temperatur (Galilei). Vermutlich spielt hier eine instrumentaltechnische Überlegung mit hinein: Hilfsbünde sind in virtuosen Passagen hinderlich.

Zum Weiterlesen:

Mark Lindley, Lutes, Viols and Temperaments, Cambridge, Cambridge University Press, 1984.
Deutsche Fassung: Lauten, Gamben und Stimmungen, Wilsingen, Tre Fontane, 1990.
Bettina Hoffmann, Di tasti e temperamenti. Questioni di compatibilità, in: La viola da gamba, Palermo, L´Epos, 2010.
Ausführliche Bibliographie zum Thema Temperaturen: http://www.huygens-fokker.org/docs/bibliography.html

© Bettina & Friedrich Hoffmann